Bild: Michael Köhn
Betreiberinfo: Michael Köhn
Professor- Wohltmann- Straße 2
29456 Hitzacker (Niedersachsen)
http://de-de.facebook.com/michael.koehn1
Mein 'Horrors Einsamkeit' in Cut-Up ist eben als E-Book zum Kauf für 95 Cent erschienen. Kurzbeschreibung:
Die Romanfigur Patrick wird Wahrheit und Wirklichkeit. Es handelt sich dabei um jenen Patrick, der sich als Protagonist und Alter Ego des berühmten Schriftstellers B. Easton E. eine grauenhafte Karriere zusammenmordete. Doch nicht nur deswegen, oder weil er von der internationalen Presse als Skandalschreiber, als Serienmörder gemaßregelt wird ... nein, er wächst bei einer Lesung des Autors in Berlin aus dem Roman 'American Psycho’ hinaus ... und mutiert in ’Horrors Einsamkeit Reloaded’ zum Maneater und Serienmörder in Person.
www.amazon.de/Horrors-Einsamkeit-ebook/dp/B007VCZRNU/ref=sr_1_17?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1334810537&sr=1-17
Die Heftromanschreiberin
Der in einer lesbischen Beziehung lebenden Autorin von Heftromanen, Karen, wird der Verlagsvertrag gekündigt. Doch das ist nicht ihr einziges Standbein, denn neben dem Schreiben von Heftromanen leitet sie an der örtlichen Volkshochschule einen Creativ- Wrigting- Kurs, in dem ihr die dort dichtenden Hausfrauen und Fantasy schreibenden Schülerinnen Vorlagen und Ideen liefern, die sie Wort für Wort abkupfert, um die in ihre Romanarbeiten zu übertragen. Als aber die Lektoren diverser Nischenverlage Karens ’großen Wurf’ - einen in Irland spielenden Fantasy Roman - als Nonsens bezeichnen und ablehnen, dazu Karen von Lisa, ihre großen Liebe, wegen eines ’Kerls’ verlassen wird, mit dem diese ein Kind haben will, schließt sie sich desillusioniert und wütend den militanten ’Amazonen’ um Ruth an, einer weiblichen Terrorgruppe mit dem strukturellen Vorbild ’RAF’, die mit aller Konsequenz die Gleichberechtigung lesbischer Frauen in der Gesellschaft vorantreibt.
Die Heftromanschreiberin
(Romanauszug)
Menschen wie von Karen beschrieben, die sich ihr Leben lang wie auf einem mit fußtiefen Löchern versehenen Pfad bewegen, der sich durch einen Angst machenden Wald windet, in dem sich Eichen, Buchen und Tannen in unglaublichen Figuren zum Himmel recken, wo giftige Pilze stehen und es ständig dunkel, kalt, feucht und unheimlich ist und von gefährlichen Raubtieren die Menschen anfallen, um sie zu fressen nur so wimmelt, gibt es überall. Und was gegen solche Probleme zu tun ist, zeigt Karen mit einfachen sprachlichen Mitteln in ihren standardisierten Dauerbrennern von Groschenromanen immer wieder aufs Neue. Und jede Leser/in kann sie auch verstehen. Das ging lange Zeit gut, - doch dann wurde sie gefeuert.
„Ich soll abgeschrieben haben“, heulte sie Lisa vor. Doch die hatte schon ihre Koffer gepackt.
„Ich bin schwanger - und ziehe zu Jörg!“
„Wer zum Teufel ist Jörg?“
„Der Kindsvater. Ein Kunstmaler. Und ich liebe ihn!“
„Und was ist mit mir?“
„Du? Du kommst schon klar!“
Tage später sieht man Karen einen schrottreifen VW Kübel fahren, dessen verhunzte Innenausstattung die Tarnfarbe der Bundeswehr längst hinter sich hatte. Dazu kam, dass der elende Karren auch unten herum undicht war, Öl verlor, oder Bremsflüssigkeit, nach Benzin stank und es jedem klar war, dass dieser fahrende Haufen Textil- Blech- Glas - und Gummischrott den nächsten TÜV-Termin nicht überstehen würde. Doch für ihre Bedürfnisse würde er reichen, denn die Genossinnen hatten das Teil auch nicht für den Zweck, es lange zu fahren, bei einer Versteigerung ’vom Bund’ gekauft -, obwohl alle genau diese Institution hassten. Am meisten jedoch die Polizei. Und Karens Vermutung, die sich längst zur Gewissheit ausgewachsen hatte, vom Leben beschissen worden zu sein, ließ sie ’Bund und Polizei’ nur noch mehr hassen als die anderen es taten. Noch mehr hasste sie die vor allem dann, als sie selber in dem nach Männerschweiß stinkenden Karren saß. Doch das war es nicht, weswegen sie das Teil pilotierte - und im Augenblick waren ihr Bund und Polizei auch schnurzegal. Nein, sie hatte eine Aufgabe und musste sich konzentrieren. Also Ruhe bewahren, auch wenn eine seltsame, unbekannte Verwirrung ihr Herz umfing, als sie an die gefälschten Fahrzeugkennzeichen dachte, die sie kurz zuvor an den VW gepappt hatte; und an das, was noch käme, wenn sie erst mal im Kaufhaus ... Ja, es war wohl Angst oder so was in der Art, die sie spürte, jedenfalls wuchs ein unbestimmter Zweifel in ihr. Merkbar daran, dass etwas wie ein Geschwür in der Luftröhre ihr das Atemholen schwer machte. Sie abschnürte von Sauerstoff, Leben und Liebe. Und, dass das Etwas wuchs -, und das war mit Sicherheit so! Denn es wurde fest, hart und härter, bis sie fast überhaupt keine Luft mehr bekam, und im Schädel einen Druck verspürte, als würde ihr das Hirn bersten, als säße ein tausend Tonnen schwerer Berg auf ihr. So Scheiße kam sie sich vor. Und das alles wegen Lisa ... Ey, Girl, konzentriere dich, machte sie sich Mut.
Der Wagen stand. Sie war da, drückte den Joint aus und, nachdem sie sich vergewissert hatte, unbeobachtet zu sein, stieg sie aus, ging auf die andere Seite vom Wagen und griff vorsichtig den auf dem Beifahrersitz liegenden Rucksack. Schulterte den, drückte die Autotür zu, und schlich die paar Meter bis zur Kaufhauspassage zu Fuß. ’Sparstatt’, stand über dem Eingang. ’Billiger ist strafbar’, das mit gelblichem Licht die herrschende Dunkelheit durchbrach. Es war Punkt drei Uhr. In der Nacht. Wie geplant. Und der Wachmann war vor fünf Minuten durch, wusste Karen.
Und genau dieses Wissen hatte sie eine stramme Erkältung gekostet, die sie sich beim Warten im Auto holte, als sie ’Sparstatt’ einige Nächte observiert hatte. Und, um den unkontrollierbaren Hustenreiz dann auszukurieren, weil der zu einem Sicherheitsrisiko hätte werden können, sie die Aktion mit dem Segen der Genossinnen um fünf Tage verschoben hatte. Vor allem Ruth riet ihr dazu. Ruth ihres Zeichen Präsidentin der Amazonen, die sie damals in der ’Schatulle’, einer Damenbar für gehobene Ansprüche auf der Toilette wie ein Baby schlafend gefunden hatte, wie sie sagte, wenn heute die Sprache darauf kam, eine leere Tablettenschachtel in der Hand.
„Sterben kannst du hier oder anders wo“, zog Ruth sie damals vom Boden hoch, „ ...doch besser ist, du kommst mit, ich zeige dir, wo du leben kannst!“ Und so hatte sie am darauf folgenden Tag ein winziges Zimmer in der Kommune bezogen.
Natürlich wusste jeder wie gefährlich ihr Sparstatteinsatz war.
Auch sie, die aus Erzählungen von Ruth wusste, wie viele Jahre Knast ihr drohten, würden die Bullen sie fassen. Doch eigentlich erschüttert sie seit Lisas Verrat nichts mehr so richtig. Nur der Gedanke an die jahrelange Einsamkeit im Knast, der warf sie bisweilen an den Rand der Bewusstlosigkeit, boykottierte ihren Verstand. Doch vor den anderen würde sie das unter keinen Umständen zugeben, da hieß es cool bleiben, einen Joint ziehen. Und so handelte sie oft Minuten oder länger wie im Trance. Wie gestern, als sie im Supermarkt Spagetti kaufte, obwohl sie ein Huhn erstehen sollte. Doch dann erfüllte der Gedanke an die Aufgabe und das Vertrauen ihrer Genossinnen sie mit stiller Ruhe.
Und genau in einem ähnlichen Zustand hatte sie mit Ruth geschlafen; dieser zärtlichen Frau, die trotz allem Männergetue ihre Rose zum Blühen brachte, um sie dann zum Höhepunkt zu küssen.
„Und deine Brust?, hatte Karen auf Ruths Oberkörper gedeutet.
„Nichts von wegen Amazonen!“ hatte ihr Ruth lachend entgegnet, „einfach nur ein beschissener Krebs!“
„Wolltest du keinen Brustaufbau ... es gibt doch ...“
„Plastik?“, höhnte Ruth, „so was stecke ich mir nicht mal unten rein!“
„Hast du mal?“
„Mit einem Mann?“
„Ja! Ich war sogar verheiratete - doch der hat mich ...“
„Wegen der Brust?“
„Ja!“
Karen hatte die Tage vor dem Einsatz bei Sparstatt die WG nur für kleinere Besorgungen verlassen. Aber das nicht ausschließlich wegen der Erkältung. Nein, ihre Seele war das Eitergeschwür im Verlangen nach Einsamkeit - ihre Angst im Gedanken daran, Menschen zu töten. Doch auch da hatte ihr Ruth geholfen und ihr durch Sylvia Joints für mehrere Durchgänge bringen lassen; so gelangte sie etwas zur Ruhe.
Genau durch Sylvia, die als Hausdetektivin bei Sparstatt arbeitete, wussten sie von einer Sicherheitslücke im Gebäude. Und so konnte Karen ohne Hast am Seitengebäude des Hauses in den Abwasserkanal einsteigen. Und genau dort war sie nun angelangt - stieg auf rostigen Sprossen in die Finsternis ab. Den Deckel über dem Schacht zog sie zu. Ließ aber für eine Flucht den Haken von innen hängen.
Am Fuß des Abwasserkanal angekommen, war es wie kalkuliert. Denn durch die Dürre über Wochen stand das Wasser nicht mal zwei Zentimeter hoch, und ihre halb hohen Schuhe hielten ihr die Füße trocken. Nicht aber ihre Achselhöhlen. Und die Stirn schon überhaupt nicht. Mit Handschuhen wischte sie sich deshalb den störenden Schweiß im Minutentakt aus den Augen.
35 Meter im Entengang waren es vom Kanaleinstieg bis zum Keller von Sparstatt. Und während sie im Schein der Taschenlampe watschelnd ging, langsam und vorsichtig, um die Rückenmuskeln zu entspannen - auch auf allen Vieren kroch, sich windend wie ein verletztes Tier, und darüber unkonzentriert war, weil sie auf ihre Haltung achten musste, geriet sie unmittelbar mit dem Rucksack an die Decke, worauf sie sich wegen des Sprengstoffs darin höllisch erschreckte, und ihr das Herz in den alt bekannten Hammerschlägen wie irre bis zum Hals hoch schlug.
Zur Beruhigung und um die Entfernung zu wissen, zählte sie die Bodenkacheln mit ihren abgezirkelten Mustern und den verschiedensten Farben. Bei manchen dieser Watschelschritte mochte sie beinahe das Hopsespiel der Kinderzeit spielen. Und, als dann eine besser begehbare Passage kam, konnte sie nicht an sich halten, musste Hüpfen und Springen, - etwas gebückt zwar, um sich bei jedem Hüpfer neu für eine Farbe der Bodenfliesen entscheiden. Wenn sie die schwarzen Steine meiden wollte, versuchte sie die weißen nicht zu berühren. Wenn sie die weißen wollte ... Dazu zwang sie dieses Kinderspieler zu einer eigenartigen, fast unbewussten Vorwärtsbewegung. Und so kam sie vorwärts, langsam zwar, vergaß dabei aber ihre Schmerzen und die Angst vor dem Sprengstoff für eine Weile. Und das war ja auch schon was.
Zweimal stand sie unter einem Lüftungsschacht, konnte den Rücken gerade machen und sich erholen. An die Wand gelehnt stand sie dort still, lauschte in die Nacht über sich, sog Sauerstoff, den ein leichter Nachtwind in den Schacht blies, und zählte aus Langeweile und um sich zu entspannen, die Gitterstäbe der Deckeneinlassung ab - quer wie längs 12 Stück. Danach kroch sie weiter, irgendwie beruhigt. Durch den Heizungskeller, in dem es nach Petroleum, Maschinenöl und Verwesung roch, gelangte sie in eine Art Lagerraum. Dort war es wie im Bauch eines Schiffes, wo es sauersüß nach einem Gemisch aus Fisch, Käse, altem Brot und Zwiebeln roch. Wo Menschen als Sklaven transportiert wurden und man meinen könnte, Reste aus deren Dasein und der Unendlichkeit des Meeres zu riechen. Wenige Meter später
irrte sie über Treppen, durch schmale Passagen, um endlich über eine eiserne Treppe in den Verkaufstrakt zu finden. Dort stand sie hinter der Tür versteckt zwischen matt glänzenden Jacken, Pullovern, Mänteln, Röcken und Kleidern, an einer Umkleidkabine, die bunt gestreift war wie welche am Strand, und versuchte sich zu orientieren.
An der Erotikabteilung angekommen, stellte sie den Rucksack ab, nahm das Päckchen mit der Sprengladung heraus, öffnete es, und stellte die Ziffern des Wecker auf Plus eine halbe Stunde - und vermeinte das leise Klappern der Zeitmaschine zu hören.
Zwischen Wand, Feuerlöscher und der anschließenden Umkleidekabine wollte sie die Bombe platzieren. Bückte sich - und kroch auf allen Vieren die wenigen Meter dort hin. Als sie ihr Ziel erreicht hatte, von dort auf das Niveau der Straße blickte, in die Nacht hinaus, sah sie nichts weiter als ein enorm schneller werdendes Nebelgrau. In das Grau eingebettet zwei gelb umflorte Straßenlaternen. Nicht weit dahinter einen Betonbau im Neonlicht, daneben Garagen, fast schon im Dunkeln einige Häuser. Darüber - und aus irgend einem Grund aus dem eben noch tintenblau grüner und grüner werdend - der Himmel. Halb zugezogen, seitlich verschlossen. Wie eine unreife Frucht pappte daran der Mond.
Ein wirklich eigentümliches Gewächs in Mitte und Maß, je länger sie hinsah, - ein Dach. Die ganze Welt ein Wolkendach. In Orange. Als das Haus bebte, krachte, Putz von der Wand fiel. Es um Karen herum gelb, ocker, rot oder blau explodierte. Sie den verzweifelten Aufstand ihres Lebens zwischen Kalk, Mörtelstaub und dem Gestern spürte - und ihr Geist gehoben, getragen, lautlos weggeworfen wurde. Alle Sicherungen durchbrannten. Sie zwischen Blut und Erbrochenem lag, und meinte zerquetschte Arme und Beine zu haben - überirdische Schmerzen jedenfalls - eine gigantische Kraft gespürt zu haben, die sie zu Boden gestoßen hatte, dort gefesselt hielt und weiterhin unerbittlich und schmerzhaft anpresste. Von weit her dann eine Sirene ... als ob Gott sie rief; wo immer der war. Ein entschwindender Geist, der besser als jeder Joint und alle Farben von Schnee zusammen ihr a go go Höhepunkte und Glücksmomente verschaffte. Obwohl sie, wie von Nahtoten berichtet, erwartet hatte, am Ende des Tunnels die ihr den Weg weisenden Eltern zu sehen. Doch nichts, lediglich Hundebellen statt Paradies. Dann sah sie sich an einem klappernden Automaten, der ihr Münzen in die feucht geschwitzte Hand spuckte. In ihrer anderen Hand, die ihr als blutiges Steak erschien und nicht zu bewegen war, fühlte sie tausend Nadelstiche. Nervenschmerzen, wie beim Zahnarzt, auch in ihren Augen. Ein Zerren und Ziehen, das nach rechts ausstrahlte und immer stärker wurde. Reißend wie ein Fluss - der ihr Leben wollte. Dann wurde es ruhiger, fast still, tröstet sie ein warmes Licht, war ruhiges Gleiten. Umgaben sie Frauen in weißen Kleidern. Ihre Mutter darunter, die mit ihr als Kleinkind an der Hand spazieren ging. An die Luft, wie die einst sagte. Und sie lief mit ihr wie auf wattierten Wegen. Und einsam dazu. Denn niemand sonst war zu sehen, als die weiß gekleideten, schweigenden Frauen. All die anderen waren vermutlich bei der Arbeit, oder tot. Warum auch immer, sie hatte den Entschluss gefasst weg zu wollen. Ja, sie wollte weg, und das möglichst schnell.
Auf Quadrat schmalen Samtplatten ging sie entschlossen und mit raumgreifenden Schritten. Dann rannte sie, doch als sie dabei auf die Rillen der Platten trat, musste sie drei Schritte zurück; wieder zwei vor, - drei zurück. Trotzdem erreichte sie ihr Ziel. Und das war wie einst, als sie ratlos inmitten von Menschen und Autos auf einem ihr fremden Bahnhofsvorplatz stand. Eine Situation, als sei sie in einer anderen, einer früheren Welt. Und das trotz oder gerade wegen der vielen bunten Reklameschilder, den Neontafeln, Scheinwerfern und Straßenlaternen.
„Wenn du über Los kommst, ziehe viertausend Mark ein“, hörte sie.
„Mutter?“
Dann war Ruhe; Feierabend.
’Großalarm für die Feuerwehr’, meldeten der Rundfunk und sämtliche Zeitungen: ’Heute früh, gegen vier Uhr, brannte ein Kaufhaus. Kurz zuvor hatte eine heftige Detonation die Anwohner des Kaufhauses Sparstatt aus dem Schlaf gerissen. Nach ersten Meldungen scheint Brandstiftung mittels einer Bombe nicht ausgeschlossen. Beim Eintreffen am Einsatzort sahen die Einsatzkräfte große Rauchschwaben aus dem Erdgeschoss quellen, in dem sich der Lebensmittelmarkt befindet. Ein zentraler Brandherd war zunächst nicht auszumachen. Um in das Innere zu gelangen wurden zuerst die Reste der an der Frontseite des Kaufhauses zersplitterten Schaufensterscheiben entfernt. Erst danach konnten die Löscharbeiten beginnen. Der ständig wechselnder Wind erschwerte die heldenhaften Rettungsarbeiten der Feuerwehrleute zusätzlich. Auch der ätzende Rauch, der die Löschkräfte mehr als einmal einhüllte. Leider gab es hohen Sachschaden, da die gesamten Artikel und die komplette Inneneinrichtung des Kaufhauses, sowie eine unbewohnte Penthauswohnung zerstört wurden. Das Übergreifen des Brandes auf ein Nachbargebäude konnte jedoch verhindert werden. Als die Flammen weites gehend unter Kontrolle waren, wurde das Kaufhaus von den Einsatzkräften mit Atemschutz nach Personen und Brandnestern durchsucht. Bei der Durchsuchung wurde eine verletzte Person mit einer Rauchvergiftung im ersten Obergeschoss gefunden und mit dem Notrettungswagen ins Elisabethkrankenhaus transportiert. Bei der verletzten Person soll es sich um den mutmaßlichen Brandstifter handeln. Die Person sei außer Lebensgefahr, berichtete bei der anschließenden Pressekonferenz der Chefarzt der Inneren Abteilung des Elisabethkrankenhauses. Die Nachlöscharbeiten am Brandort dauern an.’
Ein Gesicht in der Zeitung. Der zugehörige Körper im Krankenbett. Der Person waren beide Arme bis hoch an die Schultern geschient. Mullbinden um den Kopf. Nur die Augen waren zu sehen, ein Teil vom Mund, - dazu die Frage, diese absurde Frage: wer- kennt- diese- Frau?
Ja, ich, ich kannte sie, - ich war voller Wissen: es handelt sich um Karen!
„Die Frau ist im Vollzugskrankenhaus, Jean. Wenn sie genesen ist, kommt sie zu Ihnen; sie wird Ihre erste ...!“
„Wann wird sie kommen?“
„Drei - vier Wochen. Was weiß ich.“
„Gut, bis dahin sind wir fertig eingerichtet.“
Bevor sie kam, wollte ich sie sehen. Eigentlich müsste ich sagen: bevor sie zu mir kam, denn ich war der Boss ... Andererseits, warum ich sie vorher sehen wollte, war mir nicht klar, doch hin musste ich. Eventuell war es Neugier - und ob sie es wirklich war, denn bisher stand ihr Namen, ihre Identität amtlicherseits nicht fest. Es stand eigentlich überhaupt nichts fest, nicht mal warum sie es getan hatte. Nur das sie es getan hatte, dass stand fest!
Wenigsten etwas, stöhnte der Mensch vom Staatsschutz, zwischen zwei Fragen wohin ich wollte, wer ich sei, die Bügelfalte seiner Jeans Hose nachziehend, als ob ich auf seinem Schoß gesessen hätte, um dann in seiner Hemdtasche nach etwas zu suchen, an einem Kabel, dass wie eine oft schon gegessene Lakritzschlange aussah, zwei Ohrhörer hervor zog.
’Die Spurensicherung hat eindeutig festgestellt, dass die vor Ort gefundene Frau die Explosion verursacht hat. Die bisher Unbekannte hatte die Absicht eine Bombe zu legen, die aber vorzeitig detonierte. Rätsel gibt allen ihre Identität, denn obwohl die Frau wieder ansprechbar ist, hat sie bislang ihren Namen nicht genannt, noch einen Hinweis geben wollen, wie sie zu identifizieren wäre ...’ So weit die internationale Presse, die mir der Staatsschützer vorgelesen hatte.
Minuten später stand ich an ihrem Bett. Gelbes Licht legte Spinnenweben von Schatten über das Laken, pinselte Träume und Erinnerungen im Stil Andy Warhols an die Wand, in ihre Augen, ja, wir hatten uns schweigend erkannt; sie blinzelte mir zu.
Würde ich können, ich hätte mit den Ohren zurück gewackelt. So tat ich nichts, und sie ahnte warum: Wanzen unterm Bett - statt Blumen auf dem Nachttisch. Ihre Füße ragten unter dem Laken hervor. Die waren schwielig, rissig und schwarz - wohl ungewaschen, aber nicht verbrannt, oder angesengt, wie vieles andere, wie der Arzt zuvor sagte. Viel mehr war von ihr nicht zu sehen, außer den glühenden Augen - und die waren voller durchdringender Kraft, wie es sich für eine Revolutionärin gehört, wie Che, auf dem legendären Foto.
„Was wollten Sie eigentlich von der?“, fragte der Posten vor der Tür, während er sich bedächtig das Wanzengegenteil aus seinen Ohren pulte.
„Ich dachte, ich würde sie kennen.“
„Und?“
„Nein, ich kenne sie nicht!“
„Schade.“
„Ja, sehr schade.“
„Daran scheint Sie irgendetwas zu belustigen?“
„Wenn Sie meinen ...“
michael köhn - 27. märz 2012